Armut in allen Formen und überall beenden.
Armutsbekämpfung in Langenhagen

Das Unterziel 1.2 der Agenda 2030 gibt vor, bis 2030 den Anteil der Männer, Frauen und Kinder jeden Alters, die in Armut in all ihren Dimensionen nach der deutschen Definition leben, mindestens um die Hälfte zu senken. In Deutschland gilt als arm, wer weniger als 60 Prozent des Durchschnittslohns zur Verfügung hat. In Niedersachsen sind 17,1% der Bevölkerung von Armut bedroht (Pressemitteilung Statisches Bundesamt vom 13.08.2020). Dabei sind die Auswirkungen der Corona-Pandemie noch nicht berücksichtigt.
DAS PROJEKT: „Stadtteilmütter und –väter“ in Langenhagen
In Langenhagen leben aktuell ca. 8.500 Personen ohne deutschen Pass (Stand Februar 2020). Der Anteil von Personen mit Migrationshintergrund wird durch das Nds. Landesamt für Statistik für Niedersachsen auf ca. 22,1% geschätzt. 47,7% der in Langenhagen gemeldeten Arbeitslosen haben einen ausländerrechtlichen Status (Stand August 2020).
Viele Menschen mit Zuwanderungsgeschichte nehmen die in Langenhagen reichlich vorhandenen Freizeit- und Beratungsangebote aufgrund von Sprachbarrieren sowie kulturellen Unterschieden nicht oder nur geringfügig wahr. Die Stadt Langenhagen erstellt zudem aktuell den Aktionsplan Inklusion, um die Teilhabe auch von Menschen mit Behinderungen in Langenhagen u.a. am sozialen und kulturellen Leben aktiv zu fördern. Das Projekt „Stadtteilmütter und –väter“ kann einen großen Beitrag zur Teilhabeförderung in diesen Bereichen leisten.
Ziel des Projektes ist es, durch Abbau von sprachlichen, kulturellen oder anderen Barrieren den Zugang zu weiteren Beratungs-, Freizeit- und Bildungseinrichtungen zu eröffnen, um den Weg aus der Arbeitslosigkeit und somit aus einer Form der Armut in Deutschland zu ebnen.
Menschen in Langenhagen, die über herkömmliche Kommunikationskanäle (Presse, Internet, Flyer) nicht oder nur schwer erreichbar sind, werden in diesem Projekt durch aufsuchende Arbeit über aktuelle Beratungs- und Freizeitangebote im Stadtgebiet informiert und zur Wahrnehmung dieser Angebote animiert. Weiterhin ist es beabsichtigt, neue bedarfsorientierte Angebote in den am Pilotprojekt beteiligten Einrichtungen zu initiieren.
Das Projekt "Stadtteilmütter und -väter" wird in fünf Einrichtungen in Langenhagen in Kooperation mit dem Jobcenter Langenhagen initiiert und zunächst für fünf Jahre als Pilotprojekt gestartet.
Die Stadtteilmütter und -väter sollen ein Bindeglied zwischen den Einwohnerinnen und Einwohnern und den Einrichtungen und Diensten vor Ort werden. Der Fokus soll vor allem auf Menschen mit Migrationshintergrund liegen, um
- sie über aktuelle Beratungs- und Freizeitangebote in Langenhagen zu informieren,
- sie mit dem deutschen Bildungssystem vertraut zu machen,
- sie in der Wahrnehmung ihrer Erziehungs- und Bildungsaufgaben zu stärken,
- sie in den sozialen Raum zu integrieren,
- sie sowie ihre Kinder im Gebrauch der deutschen Sprache zu stärken und
- die Integration zu verbessern.
Im Sinne des Aktionsplans Inklusion sollen Informationen (z.B. Flyer, Broschüren) über aktuelle Beratungs-, Unterstützungs- und Freizeitangebote im Stadtgebiet auch an weitere Zielgruppen weitergegeben werden, um die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben aller Gesellschaftsgruppen zu fördern.
Wesentliche Aufgaben der Stadtteilmütter und -väter sind
- aufsuchende Arbeit zu leisten – Menschen, die durch das etablierte Versorgungssystem nicht oder nicht ausreichend erreicht werden, die aus verschiedenen Gründen behördliche Termine nicht wahrnehmen, Beratungsstellen nicht aufsuchen und andere Angebote meiden, werden in ihren jeweiligen Lebenswelten aufgesucht, um ihnen dort Unterstützung anzubieten
- Menschen in Langenhagen (verstärkt Familien mit Migrationshintergrund, aber auch Seniorinnen und Senioren sowie Menschen mit Behinderungen) über aktuelle Beratungs- und Freizeitangebote in Langenhagen zu informieren
- Familien mit Migrationshintergrund über das Bildungssystem, die Bedeutung der Kita als Bildungseinrichtung, Gesundheitsvorsorge, Angebote im Stadtteil/Stadtgebiet zu informieren
- Angebote für die Zielgruppe ‚Menschen mit Zuwanderungsgeschichte‘ in der Einrichtung zu initiieren
- Gespräche mit Jobcentermitarbeiter/innen bei dem jeweiligen Träger zu organisieren und bekannt zu machen, um Hemmschwellen für diese Beratung abzubauen
Die Anbindung der Stadtteilmütter und -väter erfolgt an ausgewählte Einrichtungen in Langenhagen. Nach Möglichkeit sollen die Stadtteilmütter und -väter selbst in dem jeweiligen Stadtteil wohnen, um die aktuellen Bedarfe und Interessen der Menschen vor Ort leichter erkennen zu können. In den Einrichtungen werden diese Bedarfe und Interessen aufgegriffen und entsprechende bedarfsorientierte Angebote werden initiiert. Die Vernetzung der Einrichtungen in den Stadtteil hinein wird durch die Stadtteilmütter und -väter somit verstärkt.
Es werden zunächst fünf Stadtteilmütter und -väter bei fünf Langenhagener Einrichtungen angestellt. Diese Personen sollen aus dem Pool der Langzeitarbeitslosen des Jobcenters Langenhagen stammen und die Voraussetzungen für die Förderung nach §16i SGB II – Teilhabe am Arbeitsmarkt erfüllen.
Folgende Kriterien sind bei der Auswahl der Einrichtungen als Stützpunkt für die Stadtteilmütter und -väter ausschlaggebend:
- Gebiet mit besonderem sozialem Handlungsbedarf
- hoher Anteil an Einwohner/innen mit Migrationshintergrund
- hohe Kinderzahl im Stadtteil
- hoher Anteil von Transferleistungen für Kinder unter 18 Jahren
- bereits bestehende Angebote für Sprachförderung/Integration
- geeignete Räumlichkeiten und Konzepte für offene Treffs
Nach Ablauf der fünf Jahre des Projektes, das von der Stadt Langenhagen in Zusammenarbeit mit dem Jobcenter maßgeblich gefördert wird, findet eine Evaluierung statt. Erst danach kann entschieden werden, ob eine Fortführung des Projektes sinnvoll sein wird.
DAS PROJEKT: „Preisgünstiger Wohnungsbau“ der Entwicklungsgesellschaft Langenhagen mbH
Armut hat viele Facetten. Eine davon ist entweder unwürdiger Wohnraum oder Wohnraum, der einen überdurchschnittlich hohen Prozentsatz des Einkommens verschlingt, so dass andere Ausgaben zurückstehen müssen. Und: Wohnraum gibt durch Lage und Qualität oft Auskunft über die finanzielle Situation der Mieter, eventuell scheinbar über den Bildungsgrad, und er entscheidet so über die Teilhabe an der Gesellschaft.
Seit einigen Jahren steigt die Nachfrage nach Mietwohnungen in Langenhagen stetig, mit der Folge, dass die durchschnittlichen Mieten kontinuierlich ansteigen. Die durchschnittlichen monatlichen Einkünfte der Bevölkerung haben sich im Gegenzug nicht im vergleichbaren Maß erhöht. Zudem sind bereits oder werden in absehbarer Zeit viele geförderte Wohnungen aus ihrer Mietpreisbindung entfallen.
© Fa. Immo Control GmbHDer Anteil der Mietkosten an den monatlichen Ausgaben eines Haushalts wächst damit stetig. Für immer mehr Haushalte mit geringen oder mittleren monatlichen Einkünften wird es daher zunehmend schwieriger auf dem freien Markt eine angemessene Mietwohnung zu finden, die das Haushaltsbudget nicht überbelastet, damit auch noch genügend Geld für andere wichtige Grundbedürfnisse zur Verfügung steht.
Eine Entwicklung, auf die in Langenhagen bereits vor einigen Jahren reagiert wurde.
Mit ihrem „Projekt preisgünstiger Wohnungsbau“ hat die stadteigene Entwicklungsgesellschaft Langenhagen mbH im Auftrag der Stadt Langenhagen nun erste eigene Wohnungen im Stadtgebiet gebaut, um der hohen Wohnungsnachfrage zu begegnen und Haushalten, insbesondere denen mit geringen Einkommen, Wohnraum zu günstigen Mieten anbieten zu können.
Mit dem Baubeginn für das erste Mehrfamilienhaus in Engelbostel im Juli 2019 wurde der Grundstein für ein Bauprojekt gelegt, in dessen Zuge zunächst auf vier Grundstücken insgesamt 63 neue Mietwohnungen unterschiedlicher Größen mit moderner Ausstattung und höchstem energetischen Standard errichtet werden. Seit Anfang Juli 2021 sind alle 63 Wohnungen bezugsfertig.
Alle Bauprojekte liegen entweder in gewachsenem Gebiet oder in unmittelbarem Anschluss daran.
Für die 24 Wohnungen wurden bereits Mieter gefunden, die Nachfrage ist hoch.
Für den überwiegenden Teil der Wohnungen wurden bereits Mieter gefunden, die Nachfrage ist hoch.
Da für das Projekt Fördermittel der NBank, der Region Hannover und aus dem Wohnraumförderprogramm der Stadt Langenhagen in Anspruch genommen werden konnten, beträgt die Nettokaltmiete pro Quadratmeter nur 5,60 €. Damit auch nur die tatsächliche Zielgruppe von den neu gebauten Wohnungen profitiert, wird zum Bezug ein Wohnberechtigungsschein benötigt.
Das Zusammenspiel von Erdwärme und Photovoltaik bei der Wärmeerzeugung sorgt obendrein dafür, dass für die dort wohnenden Haushalte keinerlei Heizkosten anfallen. Nicht nur die Kaltmiete ist daher günstig, sondern auch die Nebenkosten.
Die Entwicklungsgesellschaft ist mit der Stadt Langenhagen regelmäßig über entsprechende Entwicklungsoptionen im Austausch und bestrebt, im Segment des preisgünstigen Wohnungsbaus weitere Angebote zu schaffen.
DAS PROJEKT: Kleiderstube DRK Engelbostel
Armut kann selbst durch kleine Dinge gemindert werden. Die Kleiderstube in Engelbostel sammelt Spenden verschiedener Art: Kleider, Kleinmöbel, Spielzeug, Deko-Artikel, Küchenutensilien etc. für einen guten Zweck. Durch das gute Umfeld sind viele Artikel hier hochwertig. Dadurch können auch Menschen mit geringem Einkommen Kleidung zu erschwinglichen Kosten erwerben.
Die Kleiderstube möchte es Personen mit geringem Einkommen mit gebrauchten oder/ und gespendeten Artikeln verschiedener Warenkörbe ermöglichen, mit wenig Geld Kleidung oderandere Waren zu erwerben, um für andere Dinge des täglichen Gebrauchs mehr finanzielle Kapazitäten zu haben. Für diese Menschen eröffnet dies die Möglichkeit, sich auch für Freizeitaktivitäten, die sonst eine soziale Ausgrenzung bedeuten würden, finanzielle Ressourcen zu schaffen.
Anders als bei Kleiderkammern gibt es in Engelbostel keine Bindung an die Vorlage einer HARTZ IV-Bescheinigung, denn es ist eine Kleiderstube für Jedermann.
Warum wurde dieser Weg gewählt? Der sog. B-Schein sagt letztendlich nur eingeschränkt etwas über die Bedürftigkeit von Menschen aus. Viele ältere Menschen wagen den Schritt zum Amt aus Scham nicht, andere liegen knapp über der Grenze zum Erwerb des B-Scheins: Auch diesen Menschen soll in der Kleiderstube geholfen werden. Aber auch Nicht-Bedürftige können hier einkaufen. Dies ist insbesondere bei Kinderkleidung interessant, die dann oft den Weg zurück zur Stube findet, wenn der Nachwuchs der Kleidung entwachsen ist.
© Heinz MattutatDie Kleiderstube des DRK in Engelbostel wird seit 2009 vom DRK Ortsverein Engelbostel geführt. Hier sind insgesamt 20 Ehrenamtliche zu den Öffnungszeiten und außerhalb tätig, die Ware annehmen, prüfen, bügeln, sortieren etc. Um einem Missbrauch vorzubeugen, ist die Mitnahme auf 10 Stücke begrenzt.
Die Kleiderstube finanziert sich durch den Verkauf der Ware, Zuwendungen durch die Stadt Langenhagen gibt es nicht. Überschüsse werden – da der Verein gemeinnützig arbeitet – gespendet, z.B. an Hospize, Behinderten- oder andere Einrichtungen.
Das Konzept der Kleiderstube soll in dieser Form beibehalten werden. Helfer werden immer gesucht und herzlich aufgenommen, denn nur sie stellen den Bestand der Kleiderstube sicher.